Kultur im Pfarrhof Gempfing
Die letzte Reise - Musik, Ausstellungen und Vorträge vom 4. bis 18. November 2007

Pressemitteilung von Erich Hofgärtner

 

Über dem Eingang zum Gempfinger Pfarrhaus befindet sich ein Medaillon mit der etwas laienhaft wirkenden Darstellung des heiligen Franz Xaver auf dem Totenbett. Der Jesuitenmissionar starb im Jahre 1552 auf der Insel Sancian vor der chinesischen Küste. In den Händen hält er sein berühmtes Kruzifix, ein Geschenk seines Ordensbruders Ignatius von Loyola. Das Medaillon weist in das 18. Jahrhundert und wurde im Auftrag des Gempfinger Pfarrers Vitus Christoph Schilling de Flotto (1705-1712) angefertigt. Der wohl vorbereitete Tod des Heiligen galt als Vorbild für ein gutes und würdiges Sterben. Deshalb wurde der heilige Franz Xaver auch als Sterbepatron verehrt. Die Platzwahl für das Bild zeigt, wie stark die immerwährende Erinnerung an den Tod, das Memento mori, in den Lebensplan früherer Menschen einbezogen war.

 

Bild: Tod des heiligen Franz Xaver. Medaillon über dem Eingang zum Pfarrhof

Hier offenbart sich ein unverkrampfter und unbefangener Umgang mit dem Sterben, der uns heute fremd geworden ist. Die moderne, fortschrittsgläubige Welt weicht diesem Thema gerne aus. Der Tod wird tabuisiert und verdrängt, Bestattungsinstitute garantieren die diskrete Abwicklung eines Begräbnisses und Leichenhäuser halten vom Umgang mit dem Verstorbenen fern.

Schon aufgrund der hohen Sterblichkeit war man früher ständig mit dem Tod konfrontiert. Für das Jahr 1909 verzeichnet das Sterbebuch der Pfarrei Gempfing 36 Beerdigungen. Nur drei Personen hatten ein Alter von 70 Jahren erreicht. Mit 22 Todesfällen war die Kindersterblichkeit besonders hoch. Als Todesursachen notierte der Pfarrer allgemeine Lebensschwäche, Darmkatarrh, Brechdurchfall oder die Fraisen. So bezeichnete man Krämpfe, die durch Verdauungsstörungen verursacht wurden. Konnte der Säugling noch getauft werden, war dies ein hilfreicher Trost für die um das Seelenheil der Neugeborenen bangenden Eltern. – Nach dem damaligen medizinischen Forschungsstand war die falsche Art der Ernährung schuld an der hohen Kindersterblichkeitsrate. Schon im Jahre 1857 schrieb der Rainer Landgerichtsarzt in seinem Physikatsbericht, dass die Neugeborenen nicht gestillt, sondern nur mit einem Mehlbrei versorgt werden. Der Mediziner habe versucht, mit Ermahnungen und Belehrungen auf die Mütter einzuwirken. Allein die eingefleischte Gewohnheit, Hartnäckigkeit und Eitelkeit der Mütter lassen die Abstellung dieser Überstände durchaus nicht zu. Natürlich weiß man heute, dass mangelnde Hygiene und die Unterversorgung der Mütter mit Nährstoffen wesentlich zur Kindersterblichkeit beitrugen.

Die Auseinandersetzung mit dem Tod manifestierte sich in einer Vielzahl religiöser Gebräuche. Dazu gehörten in Gempfing die Friedhofsprozessionen, die bis ins 19. Jahrhundert an jedem Samstag unter reger Teilnahme der Gläubigen abgehalten wurde. Wie bei Versehgängen war der Geistliche im Chorrock mit schwarzer Stola und Birett gekleidet. Ihm assistierte der Mesner, der dem Priester Weihwasser und Weihwedel zur Gräbersegnung reichte. Im Wechsel beteten beide Totengebete, Bußpsalmen und das Libera. Eine besondere Steigerung erfuhren die Friedhofsprozessionen an Allerheiligen und an Allerseelen, dem großen Fest des Totengedenkens: Dann wurde dem Zug ein Totenkreuz, zwei Stablaternen und eine Fahne vorangetragen. Der Pfarrer, der die Gräber mit Weihwasser segnete und mit Weihrauch inzensierte, wurde von den Ministranten sowie vom Kaplan und dem Präbendar begleitet. Das Gotteshaus wurde dreimal umschritten. Beim letzten Umgang besuchte man die Frauenkapelle, um dort - wie in der darauffolgenden Oktav - einen Rosenkranz mit anschließender Litanei zu beten.

In der Frauenkapelle kehrte man auch bei den samstäglichen Umzügen ein. Dort wurde dann eine Andacht zu Ehren von Nikolaus Hayden gehalten, der dieses Gotteshaus im 15. Jahrhundert errichten ließ. Religiöse Stiftungen waren ein wesentliches Kennzeichen mittelalterlicher Frömmigkeit. Sie sollten dem eigenen Seelenheil dienen, aber auch Erlösungshilfen für die Armen Seelen sein. So richtete auch Nikolaus Hayden in seinem Stiftungsbrief den Blick ganz auf die jenseitige Existenz. Er habe nämlich seine Stiftung verfügt, weil es in dieser Welt keine bleibende Wohnung gibt und weil man das, was man in dieser Zeit an Gut weggibt, bei Gott im ewigen Leben wiederfindet.

Bild links: Ziborium (Erläuterung siehe nächster Absatz) aus der Pfarrkirche St. Vitus in Gempfing

 

 

 

 

Bild rechts: Pfarrkirche mit Frauenkapelle Gempfing

 

Am Sterben einer Person nahm das ganze Dorf Anteil. Der Versehgang, bei dem der Kranke die Sterbesakramente empfing, wurde durch ein Glockenzeichen angekündigt. Anschließend fanden sich die Gläubigen in der Kirche ein und begleiteten Priester und Mesner zum Haus des Kranken. Der Pfarrer trug das Ziborium mit den geweihten Hostien, der Kirchendiener ging mit Laterne und Glöckchen. Während der Kranke die Sterbesakramente erhielt, wartete die Gemeinde vor dem Haus. Anschließend kehrte man wieder in die Kirche zurück, wo der Pfarrer die Gläubigen segnete und entließ. War ein Mensch verstorben, wurde er daheim aufgebahrt. Verwandte, Freunde und Nachbarn kamen, um Abschied zu nehmen. Auch die Aussegnung des Toten fand im Hause statt. Dieser unmittelbare Umgang mit dem Verstorbenen enthielt eine Dramatik, die für uns nur mehr schwer nachvollziehbar ist. Mit einem großen Leichenzug wurde der Verstorbene zur Beerdigung abgeholt. Beim Auszug der Prozession wurde nur die große Glocke, auf dem Weg zur Kirche mit allen Glocken geläutet. Im Anschluss an das Begräbnis fand der Trauergottesdienst statt. Dabei war es eine Frage des Prestiges und der Vermögensverhältnisse, ob ein schlichtes Seelamt oder die feierliche Zeremonie mit zusätzlicher Vigil und Lobamt gehalten wurde. Die Seelenmessen am siebten und dreißigsten Tag nach dem Tod, die im Sprachgebrauch dementsprechend als Siebent bzw. Dreißigst bezeichnet wurden, bildeten den Abschluss der Begräbnisriten.

Doch auch danach gedachte man der Verstorbenen, wie ein vielfältiger Armenseelenkult zeigt. Im Gedenken an die Armen Seelen opferte man in Gempfing wie in vielen Orten am Allerseelentag das Seelenbrot. Die Almosen, die am Seitenaltar abgelegt wurden, sollten die Leidenszeit der Verstorbenen im Fegfeuer abkürzen. Vereinzelt gibt es in einigen Familien noch den Seelenzopf als Patengeschenk. Freilich ist dabei der Grundgedanke, etwas Gutes für die Armen Seelen zu tun, wohl in Vergessenheit geraten.

Links: zwei schiedeeiserne Grabkreuze aus dem Heimatmuseum in Aichach

 

 

Rechts: Schiedeeisernes Grabkreuz auf dem Gempfinger Friedhof

Unter dem Titel "Die letzte Reise" will eine Ausstellung im Gempfinger Pfarrhof zeigen, welche Rolle der Tod früher spielte. Das Durchforsten des Pfarrarchivs hat dabei einige interessante Quellen zutage gefördert. Neben den schriftlichen Zeugnissen werden liturgische Geräte und Paramente zu sehen sein. Das Heimatmuseum Aichach überließ eine Fülle von schmiedeeisernen Grabkreuzen, welche bis in 20. Jahrhundert das Bild des Gempfinger Friedhofs prägten. Die historisch-volkskundliche Ausstellung wird ergänzt mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler, die sich in ihrem Schaffen mit den Themen Vergänglichkeit und Tod beschäftigen. Es sind dies der Gunzenheimer Maler Helmut C. Walter, der Donauwörther Fotograf Franz Meitinger und der Eichstätter Bildhauer und Steinmetz Rupert Fieger. Die Ausstellung wird am Sonntag, den 4. November um 10.00 Uhr mit einem Gottesdienst eröffnet und ist an den ersten drei Novembersonntagen jeweils von 16 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. Die Besucher sind eingeladen sich mit Musik auf die Ausstellung einzustimmen. Die musikalischen Meditationen finden in der Pfarrkirche statt und beginnen jeweils um 17 Uhr. Das erste Konzert am 4. November trägt den Titel "Am Abend, da es kühle ward". Die Ausführenden sind Franz Schlecht (Bariton), an der Orgel begleitet von seinem Bruder Albert Schlecht. Am Sonntag, dem 11. November, führt der Singkreis Gempfing Monteverdis "Sestina" auf. Das Werk trägt den Untertitel "Tränen des Liebenden am Grab der Geliebten" und ist ein Grabgesang auf den frühen Tod einer jungen Sängerin, die dem Komponisten sehr nahe stand. Auch im Bereich der Volksmusik gibt es eine beeindruckende Fülle von Liedern, die sich mit dem Tod befassen und in die Trauersitten eingebunden waren. Der Gempfinger Viergesang und die Ehekirchener Stubenmusik haben eine Auswahl an Liedern und Weisen aus verschiedenen Sammlungen zusammengestellt, die am 18. November unter dem Titel "Denn es will Abend werden" zu Gehör gebracht werden. Martin Fogt vom Bayerischen Rundfunk wird dazu Literarisches und Volkskundliches rezitieren. Am Mittwoch, dem 7. November (Beginn 19 Uhr) wird Dr. Wolfgang Czysz vom Landesamt für Denkmalpflege über vor- und frühgeschichtliche Sterbebräuche referieren. Er nimmt dabei auch Bezug auf die Ausgrabungen eines frühgeschichtlichen Reihengräberfeldes in Gempfing, die im Jahre 1955 durchgeführt wurden. Die Grabbeigaben wurden für die Ausstellung vom Historischen Verein Neuburg zur Verfügung gestellt.